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Ziegelei Ignatz Pastor / Klinkerwerke H.W. Muhr GmbH & Co. KG, Fackeldeystr. 80 – 100, 46446 Emmerich-Hüthum

22.03.2014/ msch / In dem nördlichen Emmericher Stadtteil Hüthum befindet sich unmittelbar nördlich der Rheinbrücke im Bereich der sog. „Wardt“ das Werk der heutigen Klinkerwerke H.W. Muhr GmbH & Co KG.

Die Anfänge in Emmerich am Niederrhein

Die Ziegelei in Emmerich geht zurück auf Johannes Pastor, der um 1875 in der Wardt bei Hüthum vor den Toren Emmerichs eine Feldbrand-Ziegelei gründete. Die Ziegel-Rohlinge aus plastischem Lehm wurden zunächst völlig ohne Hilfsmittel mit den Händen auf dem flachen Boden geformt und auf der Stelle im Freien getrocknet, um anschließend in temporär betriebenen Feldbrandöfen gebrannt zu werden. Mit seinem Sohn Wilhelm erbaute Johannes Pastor dann dort am Rheinufer gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine neue Ringofen-Ziegelei. Der Besitz ging später zu gleichen Teilen an den jüngsten Sohn Ignatz und an den Adoptivsohn Johann über.

Bei den Bombenangriffen auf Emmerich im 2. Weltkrieg kamen beide Inhaber ums Leben und der komplette Firmenbesitz fiel an eine Erbengemeinschaft, die jedoch kein Interesse an der Ziegelei fand und einen Käufer suchte. Diesen fand man 1948 in Gestalt der Firma Püttmann, die dort neben Ziegelsteinen auch mit der Produktion von "Hüthumer Heilerde" begann. Dazu zermahlte Püttmann ungetrocknete Steinrohlinge und verkaufte den Lehm als Heilerde. Trotzdem verstand es die Firma Püttmann nicht, am Aufschwung des deutschen Wiederaufbaus langfristig teilzunehmen und ging 1954 in Konkurs. Daraufhin stand die Emmericher Ziegelei samt Tongruben zum Verkauf.

Die Wurzeln der Firma Muhr im Sauerland

Ende der 1920er Jahre gab es für den Ingenieur Heinrich W. Muhr in seiner sauerländischen Heimat keine Arbeit mehr und er wanderte nach New York aus um dort als Ingenieur im Flugzeugbau tätig zu werden. Dort traf er seine zukünftige Frau, eine ebenfalls ausgewanderte Deutsche und heiratete. Doch ein Brief seines Vaters Josef mit dem Hinweis, in Bruchwalze bei Attendorn im Sauerland gäbe es ein altes Walzwerk, wo er sich selbständig machen könne, führte ihn zurück nach Deutschland.

So kehrte Heinrich Muhr zurück nach Bruchwalze (Kreis Olpe) und gründete 1934 die Blechwarenfabrik Muhr und Söhne. Nur drei Jahre später erwarb Herr Muhr 1937 die Ringofenziegelei Bruchwalze, die 1899 erbaut wurde, aber bereits seit einigen Jahren still lag. Die Ziegelei nahm noch vor den 2. Weltkrieg die Produktion wieder auf und in der Zeit der Wiederaufbauphase nach 1945 erfolgte der Bau einer künstliche Trocknung und zwei Strangpressen. Zu weiteren Ausbaumaßnahmen kam es jedoch nicht mehr als bekannt wurde, dass der Ort Bruchwalze in den Fluten des geplanten Biggestausee verschwinden würde.

Das endgültige Ende für diesen Standort markierte im Jahre 1965 der Einstau der Biggetalsperre, in deren Staubereich die beiden Betriebe der Familie Muhr (Ziegelei und Blechwarenfabrik) lagen. Während die Blechwarenfabrik ins nahe gelegene Attendorn umsiedelte und dort bis heute überwiegend Blechfässer und Blechgebinde produziert, fand die Ziegelei einen neuen Standort am weiter weg gelegenen unteren Niederrhein.

Der Neuanfang der Ziegelei Muhr am unteren Niederrhein

Als Ersatz für die sauerländische Ziegelei erwarb Heinrich W. Muhr am 1. März 1956 die vormalige und stilliegende Ziegelei Ignatz Pastor in Emmerich, eine Ringofenziegelei zur Herstellung von Handformverblendern. Die alten Anlagen aus der Pastor- bzw. Püttmann-Ära wurden zunächst weiterbetrieben. 1964 kam als erstes Neubauprojekt eine künstliche Trocknung mit einem Blechumlauf hinzu. Der alte ,,Pastor Ringofen" wurde 1965 um sechs Kammern erweitert. Die Feuerung wurde dabei Kohle auf Gas umgestellt. 1966 folgte die erste Maschinenpresse, die die Formkästen automatisch befüllt. Da diese Steine durch den Pressvorgang eine andere Oberflächenstruktur hatten, mussten die echten Muhr-Handformsteine parallel dazu auch weiterhin manuell gefertigt werden.

Die Ziegelei Muhr in Emmerich im Wandel

Mit örtlichen Bauunternehmern wurde von 1968 bis 1973 ein komplett neuer Betrieb errichtet. Den ersten Ofen erbaute die Firma Ooms-Ittner', den zweiten die Firma Walter. Mit zwei Pressen konnten fortan ca. 25 Millionen Steine pro Jahr gefertigt werden. Im Jahr 1970 übernahm Wolfgang Muhr die Leitung des Betriebes, der die Modernisierung des Werkes im Schatten der Emmericher Rheinbrücke fortsetzte. Dazu wurde bis 1979 ein neuer Betriebsteil parallel zum vorhandenen erbaut, indem die Pressen, Trockner und Öfen drei und vier zur Aufstellung kamen. Mit vier Pressen und 130 Mitarbeitern wurde schließlich eine Kapazität von 50 Millionen Steinen im Jahr erreicht, wobei die Tagesproduktion zum Bau von 20 Einfamilienhäuser ausreichen würde. Durch Modernisierung und Rationalisierung sind heute noch 40 Mitarbeiter am Produktionsablauf beteiligt. 1988 folgte dann eine erste teilautomatisierte Ablade- und Verpackungsanlage, 1989 schließlich eine neue Lehmaufbereitung.

Zweigwerk Lichterfeld in Brandenburg (Lausitz)

1991 erwarb Herr Muhr von der Treuhand das Klinkerwerk Lichterfeld bei Lauchhammer. Dieser Betrieb wurde 1986 - 1988 als modernstes Werk der DDR durch das Ziegelkombinat Großräschen wegen der im Zusammenhang mit dem Braunkohletagebau erschlossenen, bedeutenden Ton- und Sandvorkommen errichtet. Im Gegensatz zu dem Emmericher Werk ist in Lichterfelde noch eine umfangreiche Feldbahn im Einsatz.

 


© Info von Peter Ziegenfuß
© Info von Martin Schiffmann