Bahn-Express

Gebr. Willersinn, 67071 Ludwigshafen-Oppau - 55595 Roxheim

28.11.88/ BE 2/89/ Die Firma Gebrüder Willersinn betrieb in Oppau bei Ludwigshafen und in Roxheim bei Frankenthal/Pfalz zwei größere Feldbahnnetze mit 600 mm Spurweite. Beide Bahnen dienten ausschließlich zum Kiestransport. Außerdem gab es seit 1922 in Oppau in der Nähe des DB-Bahnhofes ein Werk zur Herstellung von Kalksandsteinen. Daneben wurden 1949 in Kelsterbach am Main, 1953 in Lingenfeld, 1961 in Münchhausen im Elsaß und 1971 in Fort Louis weitere Kiesgruben in Betrieb genommen, deren Produktion (Münchhausen 1972 und Kelsterbach 1980) teilweise bereits wieder eingestellt. Die Firma Willersinn, die auch im Tiefbau arbeitete, war daneben noch an weiteren Betrieben der Kalksandsteinherstellung und Quarzsandgewinnung beteiligt.

Die Feldbahn in Oppau:
Die Geschichte der Firma Willersinn begann mit der Firmengründung am 10.02.1912. Die sechs Brüder kauften in der Gewanne am Grasweg in Oppau zum Kiesabbau geeignete Grundstücke. Der hier gewonnene Kies wurde zunächst mit Pferdefuhrwerken abtransportiert. Diese Transportart muß jedoch nicht zufriedenstellend gewesen sein, denn bereits im August 1912 lieferte O&K die erste Dampflok. Im Oktober 1912 und im Januar 1913 kamen dann noch zwei weitere Loks hinzu. Das große Transportaufkommen war damit zu erklären, daß der gesamte geförderte Kies zum Auffüllen und Betonieren des Werks Oppau der Badischen Anilinfabrik (später IG Farben, heute BASF) gebraucht wurde. Die Strecke verlief von der Abbaufläche zunächst parallel zur Langgartenstraße durch eine Gartenanlage. Danach wurde die Straße von Friesenheim nach Oppau gekreuzt. Dort befand sich auch eine signalgesteuerte Gleiskreuzung mit der meterspurigen Lokalbahn Ludwigshafen-Frankenthal-Großkarlbach der Pfälzischen Eisenbahnen. Ab dem 11.08.1927 wurde hier auch die neben der Lokalbahn fahrende eingleisige städtische Straßenbahn gekreuzt. Die Formsignale wurden aus einem hier aufgestellten Stellwerk heraus bedient. Gleich hinter der Straße zweigte - zumindest um 1928 herum - eine Stichstrecke ab. Die Hauptlinie lief ungefähr dort weiter, wo sich heute der Autobahnzubringer befindet. Da es im Abbaugebiet keine Wartungseinrichtungen gab, muß das Betriebswerk im Gebiet der Baustelle der Anilinfabrik gelegen haben. Der Kiesabbau beschränkte sich anfangs nur auf den Bereich des heutigen Willersinnweihers. Die Abbauflächen wurden für 1914-20 im Bereich von 0.971 und 1.967 ha angegeben. Die Ausbeutung muß hier bereits vor 1930 beendet worden sein, denn zu diesem Zeitpunkt eröffnete hier die damals noch selbständige Stadt Oppau ihr Strandbad.

Im Jahre 1922 begann die Firma Willersinn auch mit der Produktion von Kalksandsteinen. Das neu eingerichtete Werk entstand ganz in der Nähe des Bahnhofes Oggersheim an der Bahnlinie Ludwigshafen-Mainz. Das Werk bestand aus einem Brennofen und mehreren Nebengebäuden, u.a. einer Werkstatt. Vom Bahnhof Oggersheim bis zum Werk ließ Willersinn eine rund 600 m lange normalspurige Gleisanlage bauen, die bis heute noch vorhanden ist. Das heute nicht mehr genutzte Gleis endete im Werk in einer Ausweiche. Noch im Jahre 1959 wurde das in Kies gelegte Anschlußgleis sogar teilweise mit Betonschwellen ausgestattet. Der Zustand des Gleises ähnelt heute dem der Verkehrsbetriebe Grafschaft Hoya. Dort, wo das Normalspurgleis an der Mittelpartstraße das Werksgelände erreicht, hatte man für die im Jahre 1922 verlängerte Feldbahn ein Sturzgerüst errichtet. Die Rutsche für die Beladung von Lkw war rund 6 m lang und knapp 2.5 m hoch. Da die Verladeeinrichtung quer zur Normalspurlinie angelegt wurde, reichte diese Durchfahrtshöhe für Normalspurfahrzeuge nicht aus. Aus diesem Grund erhielt die Verladeeinrichtung eine 3.4 m lange Klappbrücke, die mittels Seilzügen bewegt wurde. Für die Beladung von Güterwagen hatte man noch parallel zum Normalspurgleis eine aufgeständerte Verladeeinrichtung gebaut. Um das Jahr 1923 begann man mit der Ausbeutung des Großpartweihers und ab Anfang der 40er Jahre mit der des Begütenweihers. Auf der Linie zur BASF wurden längere Streckenabschnitte zweigleisig angelegt. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges war die Bahn auf ihrer ganzen Länge in Betrieb. Danach soll der Betrieb zwischen dem Willersinnweiher und der BASF nicht mehr aufgenommen worden sein. Allerdings war bei der Eröffnung des zweigleisigen Ausbaus der städtischen Straßenbahn nach Oppau am 22.11.1947 die Gleiskreuzung immer noch vorhanden. Bis 1953 war die Bahn jedoch abgebaut. Der Abbau der restlichen Anlagen muß zwischen 1953 und 1957 erfolgt sein. Im Werk gibt es bis heute eine 600 mm-Feldbahnanlage mit wohl mehr als 150 kleinen und kleinsten Plattformwagen, die von Seilzügen bewegt werden.

Die Feldbahn in Roxheim:
1927 kaufte Willersinn das am Altrhein in Roxheim gelegene Hofgut Scharrau mit allen dazugehörigen landwirtschaftlich genutzten Grundstücken. Hier gab und gibt es heute noch bedeutende Kiesvorkommen. Um das Jahr 1936 begann hier der Kiesabbau. Dabei wurde zunächst auf einem eigenen Grundstück ein großer Kieslagerplatz mit einigen Betriebsgebäuden eingerichtet. Dazu zählten ein Waschhaus, eine Kieswaschanlage, eine Schmiede und ein 22 x 12 qm großer Lokschuppen. Die Feldbahn selbst bestand aus zwei Teilen - die eine Strecke verlief vom Betriebsgelände am Roxheimer Kanal entlang zum Rhein. Die beim Stromkilometer 438.3 gelegene Verladeanlage bestand aus einer eisernen Verladebrücke mit Ausweiche. Die Kippwagen wurden auf ein Förderband entladen, mit dem man direkt die Rheinschiffe beladen konnte. Die rund 3.5 km lange Strecke verfügte über zwei Ausweichen, deren erste nach 750 m lag und eine Nutzlänge von ca. 100 m hatte. Die zweite Ausweiche lag ungefähr bei km 1.8 und hatte eine Nutzlänge von rund 125 m. Ab dem km 2.8 bis zum Rhein hin lag die Feldbahn auf einem Rheindamm. Bis zum Damm lag die Bahn komplett auf dem Gelände der Firma Willersinn. Der zweite Teil der Bahn ging vom Betriebsgelände über einen eigens durch den Altrhein geschütteten Damm (Länge rund 200 m). Danach bog die Bahn rechtwinklig ab und fuhr nun entlang des Altrheins ein Stück in westlicher Richtung und von dort aus zur Reichsbahnlinie Ludwigshafen-Mainz. Dort bog die Bahn erneut rechtwinklig ab, um nun parallel zur Reichsbahn in Richtung Norden bis zum Bahnhof Bobenheim zu fahren. Dort hatte die Firma Willersinn normalspurige Umladegleise einrichten lassen. Lediglich der Abschnitt am Altrhein lag auf Pachtgelände der Bayerischen Landesforstverwaltung. Auf dem Altrheindamm gab es noch eine rund 150 m lange Ausweiche. Bei km 2.1 vom Werk aus gab es an der insgesamt rund 3.4 km langen Strecke eine Kiesverladeanlage von der Feldbahn auf Lkw. Diese Anlage wurde 1937 errichtet und bestand aus einer rund 250 m langen Auffahrtsrampe, einer knapp 7 m langen und 6 m breiten Wegeüberführung und einer 72 m langen, aufgeschütteteten Verladeeinrichtung. An Baulichkeiten war hier noch ein Aufenthaltshäuschen, eine Lkw-Waage mit Häuschen und ein Schuppen vorhanden. Unmittelbar hinter den Verladeeinrichtungen befand sich ein 4.5 m breiter Gemeindeweg, der unterquert wurde. Die Abfahrtsrampe hatte eine Länge von 70 m. Die Bahn blieb auch weitere 50 m abgesenkt, denn nun wurde die Reichsstraße 9 durch eine knapp 15 m lange Unterführung durchfahren. Die anschließende Rampe war knapp 240 m lang. Die Unterführung der Reichsstraße wurde nur auf Widerruf genehmigt. An der Übergabestelle zur Reichsbahn hatte man 1936 ein kleines Bürogebäude errichtet, an das 1937 noch ein Maschinenhaus angebaut wurde. Die zweigleisige Feldbahnanlage erhielt einen 5.9 x 5.9 qm breiten, überdachten Trog, in den der Kies der Förderbahn abgekippt wurde. Von dort wurde der Kies über ein Förderband und eine Rutsche in die Normalspurwaggons verladen. Unmittelbar daneben befand sich auch die Gleiswaage. Am Betriebsgelände am Altrhein wurde 1939 eine 60 m lange und 6 m breite Wagenreparaturwerkstätte errichtet. Außerdem gab es am Betriebsgelände am Altrhein noch eine rund 300 m lange Strecke in nordöstlicher Richtung zum Hofgut Scharrau.

Bis auf den Abschnitt vom Betriebsgelände zur Lkw-Verladung wurde die Feldbahn bis spätestens August 1957 eingestellt. Die restliche Strecke folgte bis spätestens März 1962. Zu dieser Zeit wurde die Bahntrasse in eine Straße (Industriestraße/Berliner Straße) verwandelt. Die Verladeeinrichtungen am Bahnhof Bobenheim wurden ebenfalls für den Lkw-Betrieb hergerichtet. Die Einschnitte im Bereich der B 9 verschwanden 1962/63 im Zuge eines Flurbereinigungsverfahrens. Vermutlich verschwand zu diesem Zeitpunkt auch die Lkw-Verladeanlage.

Die Feldbahn in Hagenbach:
Das Werk Hagenbach wurde im Jahre 1938 eingerichtet. Hier war im Gegensatz zu den beiden anderen Betrieben ein Eimerbagger zur Ausbeutung eingesetzt worden, der auf Schienen bewegt werden konnte. Die Beladung der Feldbahnwagen erfolgte noch unter dem Bagger. Im Jahre 1940 waren hier mindestens zwei Gmeinder-Loks mit einer Leistung von 20/24 PS eingesetzt. An der Bahnlinie Wörth-Lauterburg (Elsaß) gab es eine Verladeanlage. Von einem hölzernen Silo, das über eine aufgeständerte Rampe zu erreichen war, konnten die Normalspurwagen mit einem Förderband beladen werden. Wie lange hier die Feldbahn im Einsatz war, ist bislang nicht bekannt. 1982 wurde das alte Kieswerk durch ein modernes ersetzt.

Es kamen Kippwagen verschiedener Bauarten zum Einsatz, darunter auch einige Wagen nach DIN 5964 mit 1.75 m3 Muldeninhalt. Die Existenz dieser Wagen ist aber nur für die Bahn in Oppau gesichert. Die Bahnen in Roxheim und Hagenbach hatten kleinere Loren im Einsatz. Alle Wagen waren ohne Bremse. Auf der Oppauer Bahn soll es auch hölzerne Kastenkippwagen gegeben haben.

Bekannt sind folgende Willersinn-Loks:

Gebr. Willersinn, 67071 Ludwigshafen-Oppau -55595 Roxheim Spur:600 mm
Stand:28.11.1988
#Nr.HerstellerdatenBauartTypLstg. (PS)Gew. (t)Vmax (km/h)Bem.
  O&K5606/1912Bt 40  LV, a)
  O&K5721/1912Bt 40  LV, a)
  O&K5725/1913Bt 40  LV, a)
  Maffei3932/1918Bt 40  LV
  O&K13002/1938Bt 60  LV, b)
  O&K13005/1938Bt 60  LV, b)
  O&K13006/1938Bt 60  LV, b)
  Henschel23840/1938BtRiesa708.6 LV, c)
  Henschel23845/1938BtRiesa708.6 LV, c)
  Henschel23846/1938BtRiesa708.6 LV, c)
  Henschel23966/1938BtRiesa708.6 LV, c)
  Henschel24113/1938BtRiesa708.6 LV, c)
  O&K13156/1939Bt 60  LV, d)
  Deutz11824/1934BdmOMZ 122 F40917.5LV, e)
  Gmeinder/1936Bdm 20/244.5 f)
  Gmeinder/1936Bdm 20/244.5 f)
  1. vermutlich um 1938 verschwunden

  2. Lieferort Oppau

  3. mind. eine Lok wurde in Oppau eingesetzt, der Rest dürfte in Roxheim gelaufen sein

  4. Lieferort Bobenheim (= Bahn Roxheim)

  5. geliefert über Martin Kallmann, Mannheim

  6. Verbleib unbekannt

 


© BE 2/1989